Was Wirtschaftswissen mit Wohlbefinden zu tun hat
„Geld allein macht nicht glücklich.“ Diesen Satz höre ich oft, wenn ich das Thema finanzielle Eigenständigkeit anspreche. Aber machen nicht umgekehrt finanzielle Sorgen unglücklich? Hindern nicht Geldprobleme viele Menschen daran, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen? Ist Armut nicht eines der Hauptrisiken für unsere Gesundheit? Erst wenn unsere materiellen Grundbedürfnisse befriedigt sind, sind wir in der Lage, unsere Potenziale zu entfalten. Eine schonungslose Auseinandersetzung mit der eigenen finanziellen Situation und eine gründliche Finanzplanung sind das Fundament für beruflichen Erfolg und Lebenszufriedenheit. Eine solide finanzielle Basis macht uns zudem flexibel. Sie kann etwa den Weg in die Selbstständigkeit ebnen, eine berufliche Neuorientierung ermöglichen oder helfen, einen Lebenstraum zu verwirklichen. Und doch vernachlässigen gerade Frauen bei der Zukunftsplanung oft materielle Aspekte – manchmal aus Bequemlichkeit, manchmal aus schlichter Unwissenheit.
Solides Finanzwissen als Erfolgsgrundlage
Finanzielle Eigenständigkeit beginnt mit Bildung. Auf das Schulfach Finanzbildung warten wir bis dato leider vergeblich, trotzdem kommt keine von uns um das Thema Zukunftsvorsorge herum. Ausschlaggebend ist aus meiner Sicht, echtes Interesse für die eigene finanzielle Situation zu entwickeln. Ich brauche weder Banklehre noch Wirtschaftsstudium um meine finanzielle Absicherung zu planen. Es geht darum, sich zu informieren und sich gegebenenfalls Unterstützung zu suchen. Begriffe wie „Rendite“ oder „Effektivverzinsung“ gehören in den Sprachgebrauch von jederfrau, wirtschaftliches Grundwissen sollte die Basis jeder finanziellen Entscheidung sein. Egal, ob es um den Abschluss eines Kreditvertrages oder das Ausverhandeln einer geschäftlichen Vereinbarung geht: Konkrete finanzielle Vorstellungen gepaart mit einem selbstbewussten Auftreten wirken Wunder und können in der Folge oftmals Diskussionen über den Gender-Pay-Gap überflüssig machen. Das betrifft Unternehmer*innen wie Arbeitnehmer*innen gleichermaßen.
Eigenverantwortlich Vorsorgen macht unabhängig
Wirtschaftliche Grundkompetenzen sind nötig, um sich ein gewisses Vermögen als Altersvorsorge zu schaffen. Ob Ihre Vorsorge auf Wertpapieren, Immobilien oder einer Kombination verschiedener Vermögenswerte aufbaut, hängt nicht zuletzt davon ab, über wie viel Knowhow Sie in diesen Bereichen verfügen. Als Steuerberater ist es meine Aufgabe, meine Klient*innen in finanziellen Belangen zu unterstützen. Trotzdem empfehle ich, sich nicht nur auf professionelle Beratung zu verlassen, sondern sich selbst mit der Materie vertraut zu machen. Richtig investieren will gelernt sein und bedeutet auch, Verantwortung für die eigenen finanziellen Entscheidungen zu übernehmen. Gerade in Zeiten, wo massive Marktschwankungen, Zinserhöhungen, eine hohe Inflation und die Energiekrise vieles unplanbar machen, ist es wichtig, gut informiert am Laufenden zu bleiben, um jederzeit reagieren zu können. Nicht zuletzt möchte ich daran erinnern, dass auch Investitionen in Aus- und Weiterbildungen ein wichtiger Bestandteil Ihrer Zukunftsvorsorge sein können.
Den eigenen Marktwert realistisch einschätzen
Wirtschaftswissen und eine gründliche Vorbereitung sind auch die Basis erfolgreicher Gehaltsverhandlungen. Ich ermutige in diesem Zusammenhang zu einer aktiven Rolle. Trauen Sie sich, regelmäßig nachzuverhandeln – etwa nach Abschluss eines gelungenen Projektes. Recherchieren Sie im Vorfeld, welche Gehälter in Ihrem Unternehmen und in Ihrer Branche üblich sind. Arbeiten Sie an Ihrem Selbstvertrauen und halten Sie sich vor Augen, was Sie leisten und vor allem, wie viel Ihre Leistungen wert sind. Setzen Sie sich konkrete Ziele, legen Sie Ihre persönlichen Gehaltsuntergrenzen fest und vertreten Sie selbstbewusst Ihre Vorstellungen. Das betrifft auch die Rahmenbedingungen Ihres Jobs. Neue Arbeitszeitmodelle erlauben eine flexiblere Gestaltung und stellen einen praktikablen Weg aus der vielzitierten Teilzeitfalle dar. Planen Sie also Ihren Vollzeitjob nach Ihren Bedürfnissen und nutzen Sie die Möglichkeiten, die Homeoffice, längere Arbeitstage oder ähnliches bieten, um familiäre Anforderungen und private Interessen mit einer beruflichen Karriere in Einklang zu bringen.
Unterstützung auf dem Weg zur Selbstbestimmtheit
Mir ist es wichtig, gerade Frauen zu ermutigen, sich mit Geldangelegenheiten auseinanderzusetzen. Je vertrauter Sie mit dem Thema sind, umso interessanter wird die Materie. Nehmen Sie also proaktiv Ihre Zukunftsvorsorge und Ihre finanzielle Unabhängigkeit in die Hand und scheuen Sie sich nicht, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Meiner Erfahrung nach fühlen sich Frauen in finanziellen Belangen bei weiblichen Expertinnen oft besser aufgehoben. In der Steuerberatung etwa finden Sie zunehmend junge engagierte Frauen, die ihre Finanzkompetenz zur Verfügung stellen. Vor allem aber geht es darum, sich aus der Komfortzone zu wagen und endlich den ersten Schritt zu tun, denn: Geld ist nicht alles, aber es gibt uns die Freiheit, unser Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten.
Über die Autorin
Kristin Grasser, B.A. MBA, CSE, ist Geschäftsführerin der GOW Steuerberatungs GmbH und seit 2021 Präsidentin der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Kärnten. Außerdem fungiert sie als Geschäftsführerin des Boutiquehotels Hollmann Beletage in der Wiener Innenstadt. Die zweifache Mutter weiß aus eigener Erfahrung, wie bedeutsam finanzielle Eigenständigkeit gerade für Frauen ist und setzt sich sowohl in ihren eigenen Unternehmen als auch in ihrer Funktion als Kammerpräsidentin für Bewusstseinsbildung und die besondere Förderung des weiblichen Nachwuchses ein.