Sophie Malleg: Warum noch heiraten?
Im Jahr 2020 wurde im Schnitt jede dritte Ehe geschieden [1]. Liest man diese Statistik fragt man sich, warum heiraten die Menschen eigentlich noch? Was sind die Vor- und Nachteile einer Ehe und macht ein Ehevertrag Sinn?
Ungeachtet der vielen persönlichen auch romantischen Beweggründe bleibt es mir in diesem Blogbeitrag zumindest die rechtlichen Aspekte, die die Grundlage dieser höchstpersönlichen Entscheidung bilden (besser bilden sollten), näher darzulegen. Letztendlich handelt es sich bei der Ehe um einen Vertrag mit umfassenden Rechten und Pflichten. Das Wesen der Ehe soll nach dem Willen des Gesetzes in einer lebenslangen und umfassenden Gemeinschaft liegen. So heißt es nicht umsonst „drum prüfe, wer sich ewig bindet“[2].
Die Pros (Rechte) im Überblick:
Betrachtet man also im Vorfeld die Vorteile einer Ehe aus rein rationalen Gesichtspunkten, so denkt man in erster Linie an die finanziellen Vorteile, vor allem die Absicherung im Todesfall. Der jeweilige Ehepartner hat ein gesetzliches Erbrecht und Anspruch auf Witwer-/Witwenpension. Zudem kann man beim Ableben des Partners in den Mietvertrag eintreten und besteht, wenn man eine Eigentumswohnung hat, ein lebenslanges Wohnrecht. Darüber hinaus hat der finanziell schwächer gestellte Part unter Umständen einen Unterhaltsanspruch. Aus steuerlichen Aspekten gesehen erfolgt zwar in Österreich keine Familienbesteuerung, es gibt jedoch ein gewisses Entgegenkommen durch Absetzbeträge oder begünstigte Steuersätze wie bspw. bei der Grunderwerbsteuer.
Die Cons (Pflichten) im Überblick:
Demgegenüber umfasst die Ehe auch viele Pflichten – die naturgemäß von den Beteiligten als Nachteile wahrgenommen werden – wie beispielsweise den nachehelichen Unterhalt als finanzielle Verpflichtung. Wichtig ist, sich in diesem Zusammenhang mit der Thematik einer Scheidung und der nachehelichen Vermögensaufteilung auseinander zu setzen. Das gesamte Vermögen, das die Ehepartner gemeinsam erwirtschaften, teilen sie sich im Falle der Scheidung auf. Nur Vererbtes oder Geschenktes bleibt bei der jeweiligen Person selbst.
Das Ehegesetz geht grundsätzlich auch von einer Pflicht zum gemeinsamen Wohnen aus. Diese kann jedoch durch abweichende Vereinbarung der Ehegatten abgeändert werden.
Die Treuepflicht äußert sich nicht nur – wie weit verbreitet angenommen – in der geschlechtlichen Treue, sondern verpflichtet die Ehegatten, alle ehewidrigen Beziehungen zu Personen des anderen Geschlechts – dies können auch platonische Beziehungen sein – zu unterlassen die geeignet sind, das Vertrauensverhältnis zueinander zu verletzen. Nach älterer Rechtsprechung war die Vereinbarung sexueller Freiheit wegen Sittenwidrigkeit jedenfalls nichtig. Aktuell ist eine solche Vereinbarung einseitig jederzeit vernichtbar und auch nicht klagbar, eine Verletzung der geschlechtlichen Treuepflicht kann jedoch während aufrechter Vereinbarung nicht als Scheidungsgrund geltend gemacht werden kann.
Nach dem partnerschaftlichen Ehemodell sind beide Ehegatten auch zur gemeinsamen Haushaltsführung verpflichtet. Auch die Freizeit soll möglichst mit dem Partner verbracht werden. Dies klingt zwar auf dem Papier sehr romantisch und fair entspricht jedoch oft nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
Heiraten zum Wohl der Kinder?
Ein sich hartnäckig haltender Mythos ist, dass eine Eheschließung zur Begründung von Rechten der Kinder sinnvoll ist, um dem unehelichen Nachwuchs gleiche Rechte angedeihen zu lassen. Schon seit Langem gibt es jedoch eine Gleichstellung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern. Diese sind vor allem gegenüber beiden Elternteilen erb- und unterhaltsberechtigt.
Unromantisch, aber relevant – der Ehevertrag:
Immer öfter kommt in der Praxis die Frage nach einem Ehevertrag auf. Dieser macht dann Sinn, wenn man mit den gesetzlichen Scheidungsfolgen nicht einverstanden ist. Meiner Erfahrung nach ist es in der Praxis regelmäßig so, dass zumeist auf Drängen des finanziell besser gestellten Parts Verträge abgeschlossen werden. Dies ist dem Wunsch geschuldet das jeweilige Vermögen bestmöglich abzusichern. Dabei könnte gerade ein Ehevertrag auch den schwächeren Teil schützen und einen fairen Ausgleich schaffen. So würde ich den Vorschlag nach einem Ehevertrag nicht als Ausspruch des mangelnden Vertrauens betrachten, sondern als Möglichkeit sehen, eine faire und ausgeglichene Regelung für beide Parteien zu schaffen. Es lohnt sich immer mit dem Partner offen und ehrlich vor allem über kritische Themen zu sprechen.
Auch ein Leben ohne Trauschein kann man vertraglich gestalten. Einzelne Aspekte (wer bleibt in der Wohnung? wie wird der Hausrat aufgeteilt udgl.) können auch ohne den Gang vor den Traualtar durch Vereinbarung geregelt werden.
Gemeinsame Werte
Persönlich und nach meinen bisherigen Erfahrungen sei es mit Klienten, Bekannten wie auch im Familienkreis, funktionieren jene Partnerschaften und Ehen, ob mit oder ohne Trauschein, gut, in denen die Partner gemeinsame Grundwerte teilen. So ist es meines Erachtens besonders wichtig, sich bereits im Vorfeld damit auseinander zu setzen, ob man sich bei folgenden Fragen einig ist: Kinderwunsch? Haus oder Wohnung? Land oder Stadt? Wer soll für die Haushaltsführung zuständig sein, wenn Kinder da sind? Wie schafft man finanziellen Ausgleich? Oder wie steht man zur Familie des jeweiligen Partners? Wie hält man es mit der Treue halten? Wenn man hier überwiegend einer Meinung ist, wird man auch in Konfliktsituationen belastbarer sein und nicht so schnell an seine Grenze gelangen.
Der Wunsch, den Widrigkeiten des Lebens gemeinsam zu begegnen und einen Menschen zu haben, der einem den Rücken freihält und stärkt, ist den Interessen des Menschen inhärent. Selbstverständlich ist die Ehe aber auch eine ökonomische Angelegenheit. Oft schadet es daher nicht, die rosarote Brille abzulegen. Finanzielle Eigenständigkeit und Unabhängigkeit können durch einen Trauschein nicht ersetzt werden.
Über die Autorin:
Mag. Sophie Malleg MBL ist selbständige Rechtsanwältin und Partnerin der JuS Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt am Wörthersee. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen vor allem im Gesellschafts- und Unternehmensrecht sowie Insolvenz- und Sanierungsrecht.
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Quellenangaben
[1] Laut Statistik Austria betrug die Gesamtscheidungsrate 36,9 %, online abrufbar: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bevoelkerung/ehescheidungen/index.html.
[2] Schiller, Friedrich, Aus: Das Lied von der Glocke, 1799.