Seit 10 Jahren unterstützt das Frauenberufszentrum Kärnten arbeitssuchende Frauen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und blickt auf eine starke Erfolgsgeschichte zurück. Doch es gibt nach wie vor viel zu tun. Daniela Stein gibt im Interview einen Einblick in aktuelle und bevorstehende Herausforderungen.

Das Frauenberufszentrum Kärnten

Das Frauenberufszentrum Kärnten (FBZ) wurde 2011 vom AMS Kärnten ins Leben gerufen, um AMS gemeldete Frauen bei der Berufsorientierung und bei Fragen zu Ausbildung, Weiterbildung, Jobsuche und Kinderbetreuung zu unterstützen. Die Hintergründe sind vielfältig: Von der klassischen Wiedereinsteigerin, der Frau, die sich in einer beruflichen Orientierungsphase befindet, bis hin zur bildungsfernen Frau, die wieder fit für den Arbeitsmarkt werden will. Das FBZ bietet Unterstützung mit gezielten Einzel- und Gruppencoachings sowie speziellen Weiterbildungsangeboten, derzeit vor allem im digitalen Bereich. Damit leistet das FBZ mehr denn je einen wichtigen Beitrag, denn durch die Corona Pandemie wurden Frauen überdurchschnittlich mehr belastet und von Arbeitslosigkeit betroffen[1]. Im folgenden Interview beleuchtet Mag.a Daniela Stein, Projektleiterin des Frauenberufszentrum Kärnten, die Notwendigkeit von einer speziell auf Frauen ausgerichtete Einrichtung und warum Frauen Entwicklungen im digitalen Bereich nicht verpassen dürfen.

Warum braucht es eine Einrichtung wie das Frauenberufszentrum, das exklusiv auf Frauen ausgerichtet ist, Frau Stein?

In den meisten Industrieländern ist die Frauenerwerbsquote in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Für die EU wurde beschlossen, die Frauenerwerbsquote auf mehr als 60 % zu heben. Bei diesem Wert kann Österreich mithalten, doch bei der Frauenteilzeitquote liegt Österreich an Platz 3 in der EU.  Die Notwendigkeit des Frauenberufszentrum ergibt sich durch die Besonderheiten von Frauen am Arbeitsmarkt, die in erster Linie von Einschränkung durch Betreuungspflichten, sowohl von Kindern als auch von pflegebedürftigen Familienmitgliedern gekennzeichnet sind. Daraus resultiert meist ein langjähriger Teilzeitjob, der meistens Aufstiegschancen, qualitative Weiterbildungen und eine existenzerhaltende Entlohnung verhindert. Somit versäumen viele Frauen ihre berufliche Anschlussfähigkeit. Die Arbeitswelt ändert sich sehr rasch und den Frauen ist es gar nicht bewusst welche beruflichen Optionen es überhaupt für sie gibt. Dafür bietet das Frauenberufszentrum Kärnten sowohl Beratung als auch Workshops zur Entwicklung von beruflichen Perspektiven, sowie gezielte Weiterbildungsmaßnahmen.

Im beruflichen Kontext ist oft die Rede davon, Frauen müssten selbstbewusster agieren, in Ihren Coachings geht es auch darum, Mut zu machen. Haben Frauen ein Selbstwertproblem?

In meiner mehr als 20jährigen einschlägigen Berufserfahrung mit Frauen-Karriereplanungen bin ich doch sehr enttäuscht, dass ein Großteil der Frauen noch in tradierten Rollenmustern gefangen ist. Die Frauen erleben sich zwar ohne Kinder gleichberechtigt, dieses Gefühl hört sich spätestens nach der Geburt des ersten Kindes auf. In einem männlichen Wertesystem, das die Erwerbstätigkeit vor der Fürsorgetätigkeit stellt, erleben sich die Frauen mit ihren Kompetenzen minderwertig. Denn ihre Fähigkeiten werden entweder gar nicht bezahlt oder weniger materiell entlohnt.

Noch dazu haben nach meiner Erfahrung viele Frauen durch ihre hohen Selbstzweifel auch ein längeres Selbstfindungsthema. Es kann viele Jahre dauern, bis Frauen von sich selbst sagen: „Ich bin angekommen, ich weiß was ich kann und weiß, wo mein Platz ist, beruflich und gesellschaftlich!“. Dabei begleiten wir Frauen ein Stück, speziell um ihnen Mut und Lust zu machen eine finanzielle Eigenständigkeit mit einer Erwerbstätigkeit zu entwickeln. Wir verändern damit die Lebenseinstellung von Frauen – darin sehe ich unsere größte Errungenschaft. Denn im Tun liegt die Kraft und diese bringt den Selbstwert, den Frauen für ihren beruflichen Erfolg brauchen. 

Konzentrieren sich Weiterbildungsangebote für Frauen nicht oft zu sehr auf sogenannte Soft Skills anstatt auf konkretere Maßnahmen zu setzen, die im Beruf wichtig wären und vor allem finanziell einen größeren Mehrwert bringen würden? 

Das war lange Jahre so und Gott sei Dank ändert sich das in die richtige Richtung, denn es braucht Weiterbildung in jedem Bereich. In allen Umfragen in Bezug auf die Zukunftskompetenzen sind die Selbst- und Sozialkompetenzen, wie komplexe Lösungsorientiertheit, Kreativität und Verhandlungsstärke maßgeblich für den berufliche Erfolg ausschlaggebend. Aber speziell der Erwerb von Know-How für die digitale Welt ist geschlechterneutral und bietet sehr viele Chancen für Frauen. Diesen Anschluss dürfen wir Frauen nicht verpassen. Denn Weiterbildung ist für den weiteren Lebensverlauf richtungsentscheidend, und sich weiterzubilden war mit dem vielfältigen Angebot, vor allem online, noch nie so einfach. Andererseits ist es in dieser Vielfalt auch schwieriger, das richtige für sich auszuwählen, darum ist es so entscheidend, sich vorher konkret Gedanken zu machen, wohin man will und was man sich von einer Weiterbildungsmaßnahme erwartet. Wir wollen in Frauen wieder die Neugier wecken, ihren Horizont zu erweitern. Frauen, die sich ständig weiterbilden, sind auch ein Vorbild für ihre Kinder. Schlussendlich zahlt sich die gezielte Investition in Humankapital immer aus.

Stichwort Digitalisierung: Was denken Sie, muss die Zukunft und das Angebot in der Frauenbildung sein?

Die Trends der Zukunft zeigen auf grüne, soziale und technische Entwicklungen. Die Digitalisierung ist eine Revolution in der menschlichen Geschichte und bietet sehr viele Chancen. Das darf keine Frau verschlafen.  Wir müssen Weiterbildungsangebote für jede Bildungsschicht anbieten. Daher haben wir heuer mit dem Kurs „Digitale Kommunikation für Anfängerinnen“ begonnen. Hier sollen digitalferne Frauen die Möglichkeit erhalten in diesen Bereich ein Basiswissen zu erhalten. Mein Wunsch wäre, dass die Frauen dann Lust auf mehr bekommen und sich auf die Suche nach neuen Berufsfeldern der Zukunft machen.

Sie engagieren für Ihre Weiterbildungsmaßnahmen vor allem weibliche Vortragende. Wie erleben Sie Frauen als Trainerinnen in der Erwachsenenbildung?

Ich erlebe Trainerinnen in der Erwachsenbildung sehr engagiert, empathisch und professionell. Was ich vermisse sind Visionen, die sie ihren Teilnehmerinnen weitergeben könnten. Wie wollen wir die Welt von morgen erleben? Was brauchen wir dafür an Skills? Frauen als Trainerinnen rate ich deshalb ihr Portfolio zu erweitern, um zukunftsweisende fachliche Themen zu lehren bzw. mit neuen digitalen Tools zu unterrichten. Wir sind alle in einem wirtschaftlichen Transformationsprozess und es gibt für alle viele neue Optionen.

Frauen sind in unserer Gesellschaft strukturell benachteiligt. Wie können Frauen selbst tätig und wirksam werden, um erfolgreich zu sein?

Das ist eine gute Frage, die nicht so leicht zu beantworten ist. Die erste Botschaft, die ich leider geben muss: „Warten wir nicht auf die Politik und Wirtschaft, denn das kann noch lange dauern“.

Es ist eine Haltung und innere Entscheidung von jeder einzelnen und auch Definition von Erfolg. Was bedeutet für mich Erfolg? Um etwas von mir zu erzählen:  Ich habe mich mit Mitte 20 entschieden erfolgreich zu sein und definierte meinem Lebenserfolg mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Als leidenschaftliche Mutter von vier Kindern strebte ich eine berufliche Karriere an, bei der ich beide Welten vereinbaren konnte und eine Arbeit zu haben die für mich Sinn macht. Das ist mir gelungen und das erfüllt mich mit Dankbarkeit und Stolz. Das wünsche ich jeder Frau. Die Angst zu scheitern hält viele Frauen davor zurück – doch die haben ja Männer auch, das ist kein frauenspezifisches Thema. Mit ambitionierten Zielen kann man auch scheitern.

Ich rate Frauen sich ihre Lebensziele klar zu setzen, dann konsequent dran zu bleiben, sich Motivation und Unterstützung von Gleichgesinnten zu holen und den Mut zur Unvollkommenheit zu behalten.

Umgekehrt, wie können Frauen die Schieflagen unserer Gesellschaft sichtbarer machen und verändern?

Es braucht den Schulterschluss mit allen, auch mit den Männern. Der Transformationswandel in unserer Gesellschaft ist schon im Gange und Frauen müssen mitgestalten und sich einbringen. Jede mit ihren Möglichkeiten, damit wir unseren Kindern und Enkelkindern sagen können, wir waren dabei und haben einen Beitrag für eine bessere Welt für alle geleistet.

Mehr zum Thema:

[1]Nachzulesen unter: https://www.derstandard.at/story/2000120915359/coronakrise-treibt-vor-allem-frauen-in-die-arbeitslosigkeit